Karlsbad als Kurort von internationaler Berühmtheit hat einige spezifische
Eigenheiten, die wir kaum an einem anderen Ort der Region sowie der Tschechischen
Republik finden. Eine dieser Eigenarten ist die Jazztradition, die selbst in
der Zeit des Totalitarismus nicht grundsätzlich unterbrochen wurde. Das überhaupt
erste Jazzfestival in der damaligen Tschechoslowakei im Jahr 1961 fand ja gerade
in Karlsbad statt.
In diesem Jahr konzentriert sich das Hauptprogramm des Festivals auf drei Abende,
die im Kino „Panasonic“ und im kleinen Saal des Kurorthotels „Thermal“ stattfinden.
Auf der Sprudelkollonade (Vrídelní kolonáda) ist um vier
Uhr nachmittags bereits traditionell der Ring frei für die Karlsbader
Jazzszene. Die dramaturgische Auffassung bringt auch eine Änderung des
Umfelds mit sich, in dem das Festival stattfinden wird. Die Zuhörer werden
diesmal keine Swingmusik hören, und so verlassen wir auch die prachtvolle
Umgebung des Grandhotels „Pupp“. Moderne und Avantgarde-Musik für
junges Publikum erfordert ein anderes Umfeld.
Auf der Sprudelkollonade „Vrídelní kolonáda“,
vom 10. – 13. 10. 2007, jeweils um 16, 00 Uhr (Eintritt gratis)
Die Bigband Gringos, Swing dows, JazzKVé und Trialog jazz sind Karlsbader
Bands, die in verschiedenen Musikgattungen spielen, aber doch etwas gemeinsam
haben: die Hauptpersonen der Bands sind vorwiegend junge Musikanten aus der
Keimzelle der Jazzabteilung an der Grundschule und der Musikgrundschule in
Karlsbad Rybáre. Sie zeichnen sich durch ein hohes musikalisches Niveau
und Originalproduktion aus.
Kino Panasonic, 11. 10. 2007 um 19,30 Uhr (Eintrittspreis: 100,- Kc)
Auf dem ersten Abendsfestivalkonzert wird sich dem Karlsbader Publikum wieder
eine Band aus der Region vorstellen: eine Formation aus Nejdek – Cheb
namens Good News. Wie sie selbst behauptet, spielt sie eine Art Jazzrock
(ein Begriff, der in den 70er Jahren in der sozialistischen Tschechoslowakei
so sehr berühmt war). Die Kompositionen sind allerdings aktuell, originell.
Originell ist auch die nächste Band aus Prag – Lanugo. Über
dem zuweilen fast Tanz-Rhytmus (bei dem nach den derzeitigen strengen Trendregeln
der Kontrabass spielt) schwebt die melodische Stimme von Markéta Foukalová und
die emotionsbeladene Jazztrompete von Míra Hloucal. Ein schönes
Beispiel, wie man auch einem Nicht-Jazz-Publikum anspruchsvolle Musik anbieten
kann. Für Karlsbad wie gemacht.
Kleiner Saal im Hotel Thermal, 12. 10. 2007 um 19,30 Uhr (Eintrittspreis:
150,- Kc)
Den zweiten Abend eröffnet die North bigband aus Litvínov. Erwarten
Sie keinen Glen Miller. Die Bigband spielt ein anspruchsvolles Repertoire von
Be Bop bis zur Fusion. Der Altersdurchschnitt liegt bei 20 Jahren, das Arrangement
kommt vorwiegend aus eigenen Reihen. Den Auftritt wird das Vokalquartett „4
Voices“ verzieren, das nicht nur für das Ohr angenehm sein wird.
Dann wird bereits traditionell der Preis von Gustav Brom übergeben, der
in diesem Jahr zum Glück Milan Svoboda erteilt wurde. Es ist ein dramaturgischer
Gewinn. Stellen Sie sich nur vor, wenn ihn zum Beispiel....... gewonnen hätte.
Milan Svoboda wird sich in Karlsbad zum ersten Mal mit seinem Sextett vorstellen:
das heißt schwungvolle Arrangements, explosive impulsive Musik, vor allem
Improvisieren und sich wunderbar ergänzende Solisten. Sie werden spüren
können, dass sich die Musikanten auf dem Podium wirklich untereinander
verstehen. Die letzte Band ist eine Blues-Soul-Formation namens Enrico Crivellaro – Raphael
Wressling organ trio. Der in Kalifornien lebende Italiener kam mit seinen amerikanischen
Freunden hierhin, um Freude und gute Stimmung zu verbreiten. Es war ein erstaunlicher
Schlusspunkt nach Svobodas Wirbelsturm. Danach wird Ihnen selbst schlecht gezapftes
Bier schmecken und Sie gehen zufrieden mit einem Lächeln auf den Lippen
nach Hause.
Kleiner Saal im Hotel Thermal, 13. 10. 2007 um 19, 30 Uhr (Eintrittspreis:
200,- Kc)
Am letzten Abend werden sich zwei von der Musikgattung her ganz unterschiedliche
Bands vorstellen, die aber etwas Grundsätzliches gemeinsam haben: alles
ist erlaubt! Limbo ist eine Band tschechischer Musiker (z. B. die Trompete
spielt der Nestor des Pilsner Jazz, František Kucera), die auf Freiheit,
Ungebundenheit der Formen, freies gemeinsames Improvisieren und eine perfekte
Musikkommunikation setzen. Meiner Meinung nach unterscheiden sie sich zusammen
mit Jakub Zítko’s NUO Orchester von allen anderen derzeit entstehenden
Bands, da sie sich keine Gedanken darüber machen, was die ausgesprochenen
Experten über sie sagen oder ob ihre eigene Musik im Einklang mit der
weltweiten Jazz-Entwicklung steht. Das alles vollzieht sich auf einer akustischen
Ebene, während die nächst folgende Band namens Victor Wooten Band
eine sog. elektrische Band ist, beeinflusst vor allem von Funk und Soul. Von
sechs virtuos spielenden und singenden schwarzen Männern strahlt die Energie
in Strömen zum Publikum. Viktor Wooten dankt in seinen Texten demütig
all seinen Vorgängern, aber auch er selbst schreibt schon Geschichte der
modernen Musik. Aus ihrer Darbietung fühlt man eine Vogelperspektive,
einen Ausnahmecharakter, Perfektion, aber auch Lässigkeit und Übertreibung.
Ich habe irgendwo gehört, dass Viktor auf einem Konzert bei seinen Bass-Solen
Rad gefahren ist. Nicht grundlos heißt ihr letztes Projekt Soul – Zirkus.
Und ich freue mich, dass die „Victor Wooten Band“ mit diesem Projekt
gerade das konservative Karlsbad besucht hat (es ist ihr überhaupt erstes
Konzert in Europa), um dem lokalen Publikum mitzuteilen, dass die Musik vor
allem eine gute Unterhaltung ist.
Milan Krajíc
Direktor von Jazzfest Karlovy Vary